Probiotika und Mikrobiom

Doch was wäre, wenn du mit einem Löffel Joghurt deine Gesundheit wesentlich verbessern könntest?


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Probiotika und Mikrobiom

Susanne | 2 Minuten Lesezeit

Das wirst du hier lernen

Würdest du einen Löffel voll lebender Organismen schlucken?

Doch was wäre, wenn du mit einem Löffel Joghurt deine Gesundheit wesentlich verbessern könntest? Und wer hat noch nicht von den Hundertjährigen gehört, die mit bulgarischem Joghurt fit und gesund bleiben…

Übrigens befinden sich in einem Löffel Joghurt mehr als eine Million winzigste Mikroorganismen 😊

Zahlreiche Studien belegen, dass die Qualität der Darmbakterien einen Einfluss auf die Verdauung und das Immunsystem haben und darüber hinaus Organe wie Leber, Gehirn oder das kardiovaskuläre System positiv beeinflussen können. Sogar psychische Erkrankungen und Depressionen werden in den Zusammenhang einer sogenannten Darm-Hirn-Achse gestellt.

Doch leider reichen die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Studien bisher nicht aus, um begründete Empfehlungen von probiotischen Bakterien für gesunde Menschen auszusprechen. Das ist der Grund warum Probiotika als Lebensmittel seit 2007 auf europäischer Ebene nicht mehr mit gesundheitsbezogenen Angaben beworben werden dürfen. In Bezug auf Probiotika hat EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) bei den wissenschaftlichen Prüfungen eindeutig festgestellt, dass die eingereichten Studien probiotische Bakterien nicht ausreichend charakterisieren. Deshalb sind eindeutige gesundheitsbezogene Aussagen auf Lebensmitteln, die sogenannten „Health Claims“ über probiotische Bakterien verboten.

Das Wort „probiotisch“ darf demnach in Europa aktuell nur auf Arzneimittelverpackungen oder für „Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke“ beworben werden.

Im Lebensmittelbereich ist die einzige erlaubte gesundheitsbezogene Aussage bezüglich lebender Joghurtkulturen die verbesserte Verdauung von Milchzucker (Laktose). Darin sieht EFSA einen nachgewiesenen Effekt bei drei Stämmen von Milchsäurebakterien. Hier ist die gesundheitsbezogene Werbeaussage „fördert die Laktoseverdauung“ auf einer Lebensmittelverpackung erlaubt (1).

Was sind denn jetzt Probiotika, Präbiotika und Synbiotika?

Definitionen

  1. Probiotika sind definierte lebende Mikroorganismen, die nach Verzehr in ausreichender Menge in aktiver Form in den Darm gelangen und hierbei positive gesundheitliche Wirkungen erzielen. So lautet die offizielle Definition der WHO – Weltgesundheitsorganisation.
  2. Präbiotika sind spezifische unverdauliche Stoffe, die selektiv Bifidobakterien und möglicherweise auch andere Mikroorganismen in ihrem Wachstum im Darm fördern und dadurch positive gesundheitliche Wirkungen erzielen.
  3. Synbiotika sind Kombinationen aus Pro- und Präbiotika, die deren Vorteile synergistisch in sich vereinigen.

Der Begriff „Probiotika“ ist im deutschen Sprachgebrauch geläufig und wir verknüpfen ihn mit positiven gesundheitsförderlichen Eigenschaften. Insbesondere bringen wir ihn mit Gesundheit, Darm und Immunsystem in den Zusammenhang. Und da sich viele Menschen um ihre Darmgesundheit sorgen, hoffen sie mit probiotischen Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) ihrem Darm etwas Gutes zu tun.

Indikationen für den medizinischen Einsatz probiotischer Mikroorganismen sind vorrangig Durchfall, Verstopfung und Reizdarmsyndrom.

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat eine gute Zusammenfassung zum Thema Nahrungsergänzungsmitteln mit Mikroorganismen veröffentlicht (25. April 2022). Fazit: Wer für NEMs viel Geld ausgibt, sollte dies sorgfältig prüfen (2).

Ich bin der Meinung, dass auf die Aufnahme von NEMs mit Mikroorganismen, Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen verzichtet werden kann, wenn eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung durchgeführt wird. NEM sind nur in bestimmten Ausnahmefällen angezeigt. Wenn zusätzlich zu den probiotischen NEMs noch weitere Nahrungsergänzungsmittel mit Vitaminen und Mineralstoffen verwendet werden, ist darauf zu achten, dass es nicht zu Überdosierungen von Vitaminen oder Mineralstoffen kommt.

Blick in die Geschichte

Bakterien als Lebensmittelzutat haben eine jahrhundertealte Tradition beim Beimpfen von Milch, um eine Fermentation (Joghurt, Kefir, Quark, Käse) in Gang zu bekommen. Diese verwendeten Milchsäurebakterien gelten im Lebensmittelrecht und in der Lebensmittelhygiene als sicher.

Der russische Bakteriologe Ilja Metschnikoff stellte Anfang des 20. Jahrhunderts fest, dass die im Joghurt enthaltenen Milchsäurebakterien die natürlichen Abwehrkräfte des Körpers stärken und krankheitserregende Keime im Darm bekämpfen. Für diese Erkenntnis erhielt er 1908 den Nobelpreis für Physiologie/Medizin. Bulgarische Bauern hatten ihn auf den Zusammenhang aufmerksam gemacht: Die Bulgaren wurden überdurchschnittlich alt – und auf dem Balkan war es Tradition, täglich viel Joghurt zu löffeln.

Heute sieht man in deutschen Supermärkten meterlange Regale voller Joghurt: 1995 tauchten die ersten probiotischen Joghurts auf. Drei Jahre später hatte bereits jeder fünfte Haushalt in der Bundesrepublik die neuen Joghurts probiert.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Produktionsmenge von Natur-Joghurt (ohne Zusätze) in Deutschland mehr als verdoppelt, nämlich von einer Produktionsmenge von 278.700 Tonnen im Jahre 2000 auf eine Menge von 637.200 Tonnen in 2022. Joghurt gehört zu den wichtigsten Frischmilcherzeugnissen nach pasteurisierter Milch und in 2022 verzehrte ein durchschnittlicher Verbraucher über 29 Kilogramm dieser Produkte.

Wie robust sind die lebenden Mikroorganismen?

Die erste Hürde, die die nützlichen Bakterien überwinden müssen: Sie müssen im Joghurtbecher überleben, damit sie überhaupt lebend verzehrt werden können. Tests ergaben, dass einige probiotische Joghurts umso weniger Keime enthielten, je näher man dem Mindesthaltbarkeitsdatum kam. Ein Grund dafür sind Temperaturschwankungen: Wenn die Lagertemperaturen zu hoch sind, vermehren sich die Bakterien zunächst sehr stark, im kalten Kühlschrank sterben sie schließlich umso schneller ab.

Die zweite Hürde: Um tatsächlich einen positiven Effekt im menschlichen Darm zu erzielen, müssen die probiotischen Bakterien aus dem Joghurt den Darm erreichen. Das ist schwierig: Von den herkömmlichen Milchsäurebakterien-Stämmen überleben die Reise durch den Magen-Darm-Trakt entweder gar keine Bakterien oder nur sehr wenige.

Daraufhin züchtete die Lebensmittelindustrie besonders robuste Bakterienstämme, die bessere Chancen haben, lebend im Dickdarm anzukommen. In den meisten Fällen sind das Bifidobakterium- und Lactobacillus-Stämme: menschliche Darmbakterien, die künstlich vermehrt und dem Joghurt zugesetzt werden. Zwischen zehn und 40 Prozent der Mikroorganismen würden lebend in den Dickdarm gelangen, sagen Hersteller probiotischer Produkte, und zwar, weil sie vom Immunsystem wie körpereigene Bakterien behandelt würden.

Probiotika – Bakterien mit viel Konkurrenz

Die dritte Hürde: Die probiotischen Keime stoßen im Darm auf 400 bis 600 verschiedene Bakterienarten, die dort von Natur aus in großer Anzahl leben. Um diese zu übertrumpfen, müssen die probiotischen Mikroorganismen also in sehr großen Mengen verzehrt werden: Etwa 100 Millionen Mikroorganismen pro Tag sollten es sein. Wie viele Bakterien in den probiotischen Joghurts sind, steht nicht auf der Packung. Die Hersteller empfehlen lediglich, eine Portion pro Tag zu essen. Die kann auch durchaus ausreichen, um auf die 100 Millionen probiotischen Bakterien zu kommen.

Das Mikrobiom – das unbekannte Wesen

Die Wissenschaft erlangt zunehmend ein besseres Verständnis über die Zusammensetzung des Darmmikrobioms, aber bis heute ist es nicht gelungen, Kriterien für eine gesunde Mikrobiota zu definieren. Kaum ein biomedizinischer Bereich ist in den letzten Jahren so intensiv untersucht worden, wie das Darmmikrobiom. Allein den letzten zehn Jahren sind über 130.000 Studien dazu durchgeführt worden und dennoch tappen die Wissenschaftler offensichtlich im Dunkeln.

Fast 40 Billionen Mikroorganismen befinden sich in unserem Verdauungstrakt und vor allem im Dickdarm und diese Zahl übersteigt sogar die Anzahl unserer Körperzellen. Bakterien befinden sich im Boden, in Gewässern und in der Luft aber auch auf unserer Haut und vor allem in unserem Darm. Vor der Geburt ist der menschliche Verdauungstrakt komplett steril und die Besiedlung beginnt mit der Geburt. Deshalb ist das mütterliche Stillen so wichtig, um den Säugling mit den wertvollen Bifidobakterien zu versorgen. Diese helfen die Mikrobiota des kindlichen Darms aufzubauen und das Immunsystem des Babys zu stärken.

In den Dickdarm gelangen über die Nahrung die nicht verdaulichen Bestandteile wie resistente Stärke, Pektine und Cellulose – also Ballaststoffe – die den Bakterien als Nahrung dienen. Eine Vielzahl von Stoffwechselprodukten wird gebildet, wie kurzkettige Fettsäuren und Buttersäure. Diese scheinen wiederum nicht nur antientzündlich zu wirken, sondern auch dazu beizutragen, ein Sättigungsgefühl auszulösen.

Vielfalt im Darm heißt starkes Immunsystem

Ein Qualitätsmerkmal eines gesunden Mikrobioms ist die bakterielle Vielfalt und das Wegbleiben einer Dysbiose – also ein ungünstiges Darmmilieu. Je höher die Vielfalt im Darm, desto effektiver ist die Immunabwehr des Körpers.

Während probiotische Lebensmittel und Ballaststoffe nützliche Darmbakterien unterstützen, fördern chronischer Stress und eine schlechte Ernährung die sogenannte Dysbiose. Fest steht aber, dass eine abwechslungs- und nährstoffreiche sowie pflanzenbetonte Ernährung die beste Grundlage für ein starkes und widerstandsfähiges Mikrobiom ist und damit die Basis für unsere Gesundheit. Krankheiten werden vorgebeugt und das Wohlbefinden gesteigert.

Ein aus der Balance geratenes Mikrobiom kann letztendlich zu tiefgreifenden gesundheitlichen Problemen führen. Eine Reihe von autoimmunologischen, neurologischen, entzündlichen und metabolischen Erkrankungen werden mit einem bakteriellen Ungleichgewicht sprich Dysbiose in Verbindung gebracht.

Richtige Ernährung fördert die Darmgesundheit

Mein Plädoyer für eine gesunde Ernährung ist, dass die Darmflora auch ohne die Verwendung von probiotischen NEMs günstig beeinflusst werden kann:

  1. ballaststoffreiche pflanzliche Lebensmittel (Vollkornprodukte, Haferflocken, Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte) je nach Verträglichkeit täglich verzehren,
  2. ein ultimatives Haferflocken Porridge mit 1 – 2 Teelöffeln geschroteten Leinsamen zubereiten: liefert circa 8 – 10 Gramm Ballaststoffe (siehe meinen Artikel: https://susannedoring.com/haferflocken/)
  3. Lebensmittel mit natürlichem Inulin oder Oligofruktose , wie Hülsenfrüchte, Chicorée, Artischocke, Schwarzwurzel, Lauch, Zwiebeln, Knoblauch, Spargel in die Ernährung einbauen (siehe meinen Artikel zu Hülsenfrüchten: https://susannedoring.com/huelsenfruechte/)
  4. Fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut und Kimchi sorgen für einen günstigen niedrigen pH-Wert im Darm und pathogene Keime werden gehemmt,
  5. Omega 3 – Fettsäuren aus Leinöl, Hanföl, Walnüssen und fette Seefische täglich in die Ernährung einbauen
  6. Ausreichend trinken (siehe meinen Artikel https://susannedoring.com/wasser-lebensmittel-nummer-eins/
  7. Sauermilchprodukte aus dem Kühlregal wie Jogurt, Kefir, Dickmilch und Sauerkraut täglich in die Ernährung einbauen.

Dein ultimatives Joghurt-Rezept

Hast du einen Backofen? Dann probiere doch mal aus, einen Joghurt selbst zu machen – es ist wirklich total einfach:

1 Liter Vollmilch oder Pflanzendrink einmal aufkochen und abkühlen lassen. Die abgekühlte Milch/Pflanzendrink mit einem frischen Natur-Joghurt mit lebenden Joghurtbakterien kräftig vermischen. Backofen auf 40-50 Grad einstellen und die Milch-Joghurt-Mischung in kleine Glastöpfchen umfüllen und in den Backofen für 4 – 5 Stunden stellen. Backofen ausstellen und Joghurt abkühlen lassen – gerne über Nacht. Nach der Fermentation ist der Joghurt stichfest und kommt zum endgültigen Abkühlen in den Kühlschrank. Fertig.

Frischer Joghurt enthält etwas 100 Millionen Bakterien pro Gramm. Doch diese Zahl nimmt bereits nach einer Woche beträchtlich ab. Deshalb sollte Joghurt so frisch wie möglich verzehrt werden.

Im industriellen Herstellungsverfahren darf Joghurt nach der Reifung erhitzt werden, um eine lange Haltbarkeit zu erzielen. Ein solches Produkt muss mit dem Hinweis „wärmebehandelt“ versehen sein. In diesem wärmebehandelten Joghurt sind keine lebenden Joghurtkulturen mehr vorhanden.

Der Begriff Joghurt, auch Yoghurt oder Jogurt, kommt ursprünglich aus der türkischen Sprache. Yoğurt bedeutet „vergorene Milch“ und bezeichnet so die Herstellung des Milchprodukts. Forscher schätzen, dass der erste Joghurt vor etwas mehr als 2.000 Jahren durch Zufall beim Ansäuern von Milch entstanden ist.

Historiker sind sich allerdings nicht sicher, woher der Joghurt genau kommt. Einige Wissenschaftler vermuten den Ursprung in Indien oder dem heutigen Iran, andere wiederum glauben, dass Joghurt aus dem Balkangebiet stammt. Fest steht aber: Die gegorene Milch kennen Zentraleuropäer erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts.

Quellen:

  1. https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel/nahrungsergaenzungsmittel-mit-mikroorganismen-58854
  2. Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to live yoghurt cultures and improved lactose digestion – EFSA Journal 2010 – 8(10):1763
  3. Nicht immer ist drin was draufsteht – Stiftung Warentest „Naturjoghurt“: https://www.test.de/Naturjoghurt-im-Test-Nicht-immer-ist-drin-was-draufsteht-5264514-5266432

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